Tiefgrund direkt in Farbe einrühren = Ein gesparter Arbeitsgang?
Was Ist Dran?
Kaum einer Geschichte begegnet man in der Beschichtungsindustrie häufiger, wie dem Mythos des direkt in die Farbe gegebenen Tiefgrunds und dem damit verbundenen eingesparten Arbeitsgang. Zunächst kann man festhalten, dass die Farbe „flutschiger“ in der Verarbeitung wird. Ein normaler Effekt, denn der überwiegende Teil eines Tiefgrunds besteht nun mal aus Wasser. Würde man die gleiche Menge Wasser in die Farbe rühren, wäre die Farbe anschließend auch genauso gut bzw. schlecht zu verarbeiten. Der Fokus liegt hier klar auf dem Wort „schlecht“. Denn: Zwar ist eine niedrigviskosere Farbe leichter zu verstreichen, dafür nimmt allerdings das Deckvermögen rapide ab, die Spritzneigung nimmt zu und bei glänzenden Anstrichstoffen kann die Zugabe den Glanz reduzieren.
Der große Unterschied liegt jedoch in den eingesetzten Bindemitteln und der jeweiligen Partikelgröße. Die Partikel eines Tiefgrunds sind zwischen 0,03 und 0,05 Mikrometern groß. Die Bindemittel einer üblichen Wandfarbe weisen eine Partikelgröße von 0,1 bis 0,2 Mikrometern auf.
Wozu Ist Das Wichtig?
Je feiner ein Partikel ist, umso tiefer kann dieser in den Untergrund mit seinen Poren eindringen. Wird nun ein kleiner Partikel neben dem großen in eine Pore eingebracht, verstopft jeder größere Partikel dem kleineren den Weg. Und Bindemittelpartikel in Farben sind bei weitem nicht die kleinsten Teilchen. Der Tiefgrundpartikel konkurriert nun mit Füllstoffen zwischen 1 und 80 Mikrometern, Pigmente von 0,1 bis 10 Mikrometern und eben die besagten grobdispersen Partikeln des Bindemittels aus der Wandfarbe. Stellen wir uns dazu einen Radweg vor, der ideal mit einem Fahrrad befahren werden kann. Mit dem Auto kann das noch funktionieren, irgendwann an der nächsten Verengung wird es für den Pkw schon schwer.
Für den Lkw ist der Radweg schon ab Beginn zu eng. Wenn sich jetzt alle drei an der Zufahrt zum Radweg treffen, geht es für keinen weiter.
Ist das alles?
Nein, leider nicht. Bindemittel für Tiefgründe sind in der Regel ausgelegt auf Haftung zu allen Seiten. Wandfarben sind auf eine möglichst geringe sogenannte Blockfestigkeit ausgelegt. Der Tiefgrund hingegen nicht. Die meisten dieser Bindemittel weisen nach dem Abtrocknen eine Restklebrigkeit auf, die an der Wand zu einer höheren Verschmutzungsneigung führt, da Staub, Kerzenruß usw. besser an der Oberfläche haften können.